Marcus Steinweg, 2021

PHILOSOPHISCHE MALEREI zu Yury Kharchenko

 

Sucht man ein philosophisches Denken zu verstehen, muss man den Punkt des ihm inhärenten Schreckens aufsuchen. Als untersuche man einen funktionierenden Organismus unter Zuhilfenahme aller möglichen Instrumente, um seine wunde Stelle auszumachen, den Inkonsistenzpunkt des Systems. System nennen wir die Einheit eines Funktionszusammenhangs, die sich der Ausblendung eben dieses Punkts verdankt. Statt die ebenmäßigen Konturen dieses Zusammenhangs aufzuzeigen, sie zärtlich abzufahren, um die Legitimität und Plausibilität des Ganzen zu bekräftigen, bedeutet zu denken, sich seinen Schwachpunkten zuzuwenden, die ihm im Modus des Ausgeblendeten, Verneinten oder Verdrängten angehören, im Modus also dessen, worüber man ungern spricht.

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Micha Brumlik, 2020

Ein Akt der Barbarei? Yury Kharchenkos Bilder von Auschwitz
„Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barbarei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frißt auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben. “ So der nach Deutschland zurückgekehrte Theodor W. Adorno in einer 1951 veröffentlichten Festschrift für den Soziologen Leopold von Wiese. Jahre später – so schien es – widerrief Adorno: „Darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben.”  Jahre später analysierte der Regisseur und Theaterwissenschaftler Peter Stein die Debatte um dieses Zitat. Jahre später dann, in Adornos „Negativer Dialektik“ hiess es:
“Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben. Nicht falsch aber ist die minder kulturelle Frage, ob nach Auschwitz noch sich leben lasse, ob vollends es dürfe, wer zufällig entrann und rechtens hätte umgebracht werden müssen.”

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Helmut A. Müller, 2020

Yury Kharchenko, What Is Art?

Key Images and Cycles on Fundamental Questions of Life

Ten years ago, Yury Kharchenko would have answered the question as to what art is with great certainty with: ‘life, art is life’. And: ‘My life is art.’ Today, in contrast, he states that art is that which is experienced, sensed, felt, and foreseen in inner images. Art is nothing other than the reflection of life. In this respect, for him, all art is biographical. This is one of the reasons why he shares Andrei Tarkovsky’s answer to the same question and yet distances himself from it again.

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Kay Heymer, Director of Modern Art Department, Museum Kunstpalast Düsseldorf, 2020

Yury Kharchenko
New Steps

‘Fun is a chalybeate bath.’
Max Horkheimer / Theodor W. Adorno, Dialectic of Enlightenment

Over the past fifteen years, Yury Kharchenko has undergone a remarkable development, in which his painterly work has always been marked by existential questions and an attitude that extends further than our ever faster and more contradictory present. Yury Kharchenko reflects his Jewish identity, which influenced his youth in the final years of the Soviet Union as well as his upbringing and artistic education and life in Germany.

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Ygael Attali, Paris, 2018

Heimat: Vicissitudes and vitality of an inheritance

Dark light Houses. Sharp and troubled Houses. Disfigured and misshapened Houses. Acid burned drippings. Ebb and flow drowning all order, all foundation and seeming to associate the blindness of the world to the most intimate sightlessness. The idiosyncratic stroll is sought, where all thrill is interpreted as a sign of hope mingled with disappointment.

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Kay Heymer, Leiter der Moderne, Museum Kunstpalast Düsseldorf, 2017

Der Maler Yury Kharchenko wurde 1986 geboren und wuchs im Rheinland auf. Nachdem er im Alter von 13 bis 15 Jahren privaten Malereiunterricht bei dem russischen Künstler und Dichter Vilen Barsky erhalten hatte, absolvierte er von 2004-2008 ein Studium der freien Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Von Beginn an interessierte sich der Maler für die spirituelle Dimension der Kunst und arbeitete in einem Bereich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Die formalen Möglichkeiten der Malerei mit Ölfarbe auf Leinwand setzt er mit großer Variabilität ein, Farbe erscheint in seinen Bildern als pastose Materie ebenso wie als durchscheinende, mit Lösungsmitteln stark verdünnte Lasur, die er in vielen Schichten über die Leinwand fließen lässt. Continue reading “Kay Heymer, Leiter der Moderne, Museum Kunstpalast Düsseldorf, 2017”

Gérard A. Goodrow

Eröffnungsrede Yury Kharchenko – Wege des Unsichtbaren

22. Mai 2016 im Jüdischen Museum, Dorsten

„Wege des Unsichtbaren“: Ein rätselhafter aber dafür sehr denkwürdiger Titel für eine umfangreiche Ausstellung mit fast 90 Werken eines jungen in Deutschland lebenden, russischen Künstlers, der – auch wenn er schon sehr viel nachzuweisen hat – eigentlich gerade am Anfang seiner Karriere steht. Sind also die im Ausstellungstitel erwähnten „Wege des Unsichtbaren“ vielleicht die Wege, die er begangen ist bzw. noch begehen wird – als Künstler, aber auch als Mensch?

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